Insolvenzverfahren bei Selbstständigen und Freiberuflern

Der Begriff der „natürlichen Person“ taucht in deutschen Gesetzen immer wieder auf. Spricht ein Jurist von einer natürlichen Person, meint er einen Mensch der rechtsfähig ist, also Träger von Rechten und Pflichten sein kann (§ 1 BGB).

Für alle natürlichen Personen (im Gegensatz zu Unternehmen) gilt, dass durch ein Insolvenzverfahren nach einer Wohlverhaltensphase die Restschuldbefreiung greift. Dies ermöglicht dem Einzelnen einen schuldenfreien Neuanfang.

Der Gegenbegriff umfasst juristische Personen. Darunter werden Personenvereinigungen und Vermögensmassen verstanden die einen bestimmten Zweck verfolgen und rechtsfähig sind, d.h. ebenfalls Träger von Rechten und Pflichten sein können (§§ 21ff. BGB).

Insolvenzverfahren bei Selbstständigen – Arten von Insolvenzverfahren und wer sie beantragt

Der Regelinsolvenz unterfällt, wer eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat (§ 304 InsO). Dies gilt für alle aktiv tätigen Freiberufler, Handwerker und Landwirte. Davon umfasst ist auch die Ausübung freier Berufe wie bei niedergelassenen Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Psychologen, Steuerberatern, Architekten usw. Es ist nicht relevant, ob die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich, nebenberuflich, gewerblich, freiberuflich oder geringfügig ausgeübt wird. Es ist dabei nicht entscheidend, ob die Verbindlichkeiten aus der geschäftlichen oder privaten Sphäre des Selbstständigen stammen. Selbstständig ist, wer im eigenen Namen, in eigener Verantwortung, für eigene Rechnung und auf eigenes Risiko eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.

Ebenfalls dem Regelinsolvenzverfahren unterfallen bestimmte Gesellschaften wie die GmbH, die AG, Genossenschaft, der Verein usw.

Der Verbraucherinsolvenz unterfällt, wer nicht selbstständig ist. Nicht selbstständig sind abhängig Beschäftigte und alle Personen, die nicht wirtschaftlich erwerbstätig sind. Davon umfasst sind also Rentner, Pensionäre, Hausfrauen und -männer, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Weiter sind weisungsgebundene Arbeitsnehmer erfasst, die nicht auf eigene Rechnung arbeiten, sowie Beamte, Studenten, Schüler, Auszubildende, Praktikanten, Soldaten, Zivildienstleistende und Strafgefangene. Freie Fernseh- und Rundfunkmitarbeiter, Journalisten, Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler gelten als „arbeitnehmerähnlich“ und unterfallen der Verbraucherinsolvenz. Für Vorstandsmitglieder und Fremdgeschäftsführer ohne Beteiligung am Unternehmen steht auch der Weg ins Verbraucherinsolvenzverfahren offen, da sie keiner selbstständigen Tätigkeit nachgehen. Der persönlich haftende Gesellschafter (z.B. der Gesellschafter der OHG, der Komplementär der KG oder der Gesellschafter der GbR) und der geschäftsführende Allein- und Mehrheitsgesellschafter einer GmbH gelten als selbstständig und unterfallen der Regelinsolvenz.

Faustformel: Weisungsgebundene Beschäftigte unterfallen der Verbraucherinsolvenz.

Gilt dies auch für Kleingewerbetreibende?

Auch wenn bei einem Kleingewerbetreibenden die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit die Lebenshaltungskosten nicht decken, unterfällt dieser nicht der Verbraucherinsolvenz. Ein außergerichtlicher Einigungsversuch ist daher nicht erforderlich (§ 305 InsO). Aber es besteht die Möglichkeit der Restschuldbefreiung (siehe §§ 286ff. InsO).

Was gilt bei einer selbstständigen Nebentätigkeit?

Auch wenn nur eine selbstständige Nebentätigkeit ausgeübt wird, ist für die Beurteilung der Selbstständigkeit die Weisungsabhängigkeit das entscheidende Kriterium. Die Nebentätigkeit muss einen nennenswerten Umfang erreichen und sich organisatorisch verfestigt haben, damit sie als selbstständig gilt. Die bloße formale Anmeldung eines Gewerbes oder eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit reicht dafür nicht aus.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren

 Das Verbraucherinsolvenzverfahren gilt für alle Verbraucher und soll als vereinfachtes Verfahren die Gerichte entlasten und dem Verbraucher bei der endgültigen Befreiung von seinen Schulden helfen. Hat eine natürliche Person also nie eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt, darf das Verbraucherinsolvenzverfahren zweifelsfrei angewendet werden. Es ist nicht relevant, wie viele Gläubiger der Schuldner hat. Die relevanten Normen befinden sich im 10. Teil der InsO (§§ 304311 InsO). Das Verbraucherinsolvenzverfahren umfasst drei Stufen:

1. außergerichtlicher Einigungsversuch zwischen Schuldner und Gläubigern (§ 305 Abs. 1 Nr.1 InsO)

2. gerichtlicher Einigungsversuch: Schuldenbereinigungsplan

3. bleiben diese erfolglos: gerichtliches Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensphase, die zur Restschuldbefreiung führt.

Seit der Insolvenzrechtsreform 2013 kann auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ein Insolvenzplan nach §§ 217-269 InsO erstellt werden und somit ein erneuter Versuch der Einigung mit den Gläubigern erzielt werden.

Alle wichtigen Neuigkeiten zur Entwicklung des Insolvenzrechts finden Sie hier.

Verbraucherinsolvenz vs. Regelinsolvenz

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist eine Ausnahme vom Regelinsolvenzverfahren. Im Zweifel wird daher immer auf das Regelinsolvenzverfahren zurückgegriffen. Das Gericht wird ein Regelinsolvenzverfahren beantragen, wenn der Schuldner nicht nachweisen kann, dass trotz der früheren selbstständigen Tätigkeit ausnahmsweise eine Verbraucherinsolvenz vorliegt.

Insolvenzverfahren Selbständige Regel-/Verbraucherinsolvenz

In Kürze:

  • Schuldner ist und war nicht selbstständig

    Ist der Schuldner zum Beispiel angestellt, arbeitssuchend oder Rentenempfänger, dann ist der Verbraucherinsolvenzantrag zulässig. Das Verfahren ist im Vergleich zur Regelinsolvenz einfacher durchzuführen, verlangt aber einen Einigungsversuch zwischen Schuldner und Gläubiger. Der Einigungsversuch wird in der Regel durch einen Rechtsanwalt oder eine Schuldnerberatung durchgeführt. Ist der Einigungsversuch positiv verlaufen und hat einen Erlass oder Teilerlass der Schulden bewirkt, muss kein Antrag auf Privatinsolvenz/ Verbraucherinsolvenz mehr gestellt werden.

  • Schuldner ist aktuell selbstständig

    Ist der Schuldner Unternehmer, Freiberufler, hat ein Nebengewerbe oder schreibt Rechnungen, so ist die Regelinsolvenz das richtige Verfahren. Bei einer Regelinsolvenz ist kein Vorverfahren notwendig.

  • Schuldner war selbstständig und ist es nicht mehr

    Hier muss abgegrenzt werden, ob der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als 20 Gläubiger hat und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gegen den Schuldner bestehen (§ 304 InsO). Ist dies der Fall, kann der Schuldner nach einem Einigungsversuch eine Verbraucherinsolvenz beantragen. Stehen aber beispielsweise Lohnforderungen von ehemaligen Angestellten gegen den Schuldner aus, muss dieser eine Regelinsolvenz beantragen.

Der ursprünglich selbstständige Schuldner

Ehemals selbstständig tätige Personen unterfallen grundsätzlich dem Regelinsolvenzverfahren. Vom Verbraucherinsolvenzverfahren umfasst sind sie nur, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit mehr ausgeübt wird, sie weniger als 20 Gläubiger haben und gegen sie keine Forderungen aus gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnissen bestehen (§ 304 InsO). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Ehemalige Kleinunternehmer unterfallen nur der Verbraucherinsolvenz, wenn „deren Verschuldungsstruktur der von Verbrauchern im Wesentlichen entspricht“. (Bundestag-Drucksache 14/5680 S.14)

1. Überschaubare Vermögensverhältnisse (§ 304 Abs. 1, 2 InsO)

Je mehr Gläubiger der ehemals Selbstständige hat, desto komplizierter das Verfahren und desto unwahrscheinlicher eine einvernehmliche Schuldenbereinigung. Daher die Begrenzung auf weniger als 20 Gläubiger. Hat ein ehemals Selbstständiger 20 oder mehr Gläubiger, ist er dem Regelinsolvenzverfahren zuzuordnen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der, der Antragstellung. Ausnahmsweise kann eine Regelinsolvent vom Gericht angeordnet werden, wenn die Vermögensverhältnisse aus anderen Gründen nicht überschaubar sind.

2. Keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (§ 304 Abs. 1 2 InsO)

Liegen Forderungen aus Arbeitsverhältnissen vor, ist das Verbraucherinsolvenzverfahren zwingend ausgeschlossen. Damit sind Forderungen gemeint die in einem Arbeitgeberverhältnis des Schuldners begründet wurden (z.B. Forderungen von Arbeitnehmern, Finanzämtern). Beiträge zur Berufsgenossenschaft fallen nur darunter, sofern diese nicht alleine von dem Arbeitgeber (z.B. von einem ehemals selbstständigen Handwerker) zu entrichten waren.

3. Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit

Die selbstständige Tätigkeit muss abgeschlossen sein. Wurde die Tätigkeit also nicht vollständig aufgegeben, unterfällt der Selbstständige der Regelinsolvenz. Dies gilt auch, wenn der ehemals Selbstständige bereits angestellt ist, die Strukturen der Selbstständigkeit aber noch bestehen.

Insolvenzantrag und Insolvenzverfahren

Der Schuldner kann die für ihn einschlägige Verfahrensart nicht selbst wählen!

Welches Verfahren für Sie das richtige ist, hängt von Ihren persönlichen Umständen ab. Es muss vor Antragsstellung ermittelt werden, welche Verfahrensart zutreffend ist, um den richtigen Insolvenzantrag bei Gericht einzureichen. Die Verfahren schließen sich gegenseitig aus. Die Beantragung der Insolvenz ist nur bei der Regelinsolvenz formlos möglich. Die Antragstellung bei der Verbraucherinsolvenz ist weitaus umfangreicher. Weist das Gericht einen Insolvenzantrag in der gewählten Antragsart zurück, kann der Schuldner diese Entscheidung begründet anfechten (§ 34 Abs. 1 InsO).

Der Schuldner könnte einen Insolvenzantrag einreichen, ohne dass er angibt, welches Verfahren er anstrebt. Das Gericht entscheidet dann über den Antrag und bestimmt die Verfahrensart. Im Zweifel wird von der Regelinsolvenz ausgegangen.

Ändert sich die Anzahl der Gläubiger nach Antragstellung führt dies nicht zu einer Änderung der Verfahrensart. Maßgeblich ist nur die Anzahl der Gläubiger zum Zeitpunkt der Antragstellung (§ 304 InsO). Verändern sich allerdings die Umstände und die Vermögensverhältnisse des Schuldners sind im Verbraucherinsolvenzverfahren nicht mehr überschaubar, wird in das Regelinsolvenzverfahren gewechselt. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Verfahrenseröffnung.

Das Recht können Sie nicht gestalten - die tatsächlichen Umstände dagegen schon!

Ersparen Sie sich die Unsicherheiten, die erheblichen Kosten und den enormen Arbeitsaufwand und suchen Sie sich bezüglich der richtigen Verfahrensart und der Antragsstellung anwaltliche Beratung.

Nur so entgehen Sie möglichen Verfahrenshindernissen und falschen Angaben. Die anwaltliche Beratung hilft Ihnen zu einem schuldenfreien Neuanfang.

Wie geht es für Sie während des Insolvenzverfahrens weiter?

Fortführung der selbstständigen Tätigkeit

Es ist grundsätzlich möglich, dass eine selbstständige Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens beibehalten wird. Sinnvoll ist dies nur, soweit die Tätigkeit noch Gewinne abwirft.

Ist die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit möglich?

Ja! Es ist möglich, während eines Insolvenzverfahrens eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen und ein Gewerbe anzumelden. Dies gilt dann für Schuldner, die eine Privatinsolvenz durchlaufen und noch nie selbstständig waren oder die trotz der ehemaligen Selbstständigkeit der Verbraucherinsolvenuz unterfielen. Es kann oft sinnvoll sein, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen, wenn ein Schuldner Probleme hat, eine neue Anstellung zu finden.

Nur der Insolvenzverwalter darf nach Eröffnung des Verfahrens entscheiden, ob der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen darf oder nicht. Teilweise wird die selbständige Tätigkeit während der Insolvenz allerdings nicht unter Aufsicht des Insolvenzverwalters fortgeführt, sondern durch eine sog. Freigabe, also außerhalb des Insolvenzverfahrens in eigener Regie des Insolvenzschuldners. Der Insolvenzschuldner ist dann unabhängig vom Insolvenzverwalter.

Müssen dann alle Erlöse an den Insolvenzverwalter abgeführt werden?

Nein! Während der Wohlverhaltsphase muss allerdings der pfändbare Anteil des Einkommens abgeführt werden. Dies ist bei einer selbstständigen Tätigkeit oftmals nicht so leicht wie bei Angestellten, da das Einkommen von Monat zu Monat stark variieren kann. Man hat hier eine praktibale Lösung gefunden, dieses Problem zu umgehen: Es müssen die Erlöse abgeführt werden, die dem pfändbaren Anteil des Einkommens eines Arbeitnehmers entsprechen. Es wird also bei der Ermittlung des Pfändungsfreibetrags ein fiktives Einkommen berechnet. Dabei werden auch die Eigenschaften des Schuldners wie sein Alter, sein Bildungsabschluss oder die Berufserfahrung mit eingerechnet.

Ist die weitere Wahrnehmung der selbstständigen Tätigkeit sinnvoll?

Dies sollte ein erfahrener Insolvenzanwalt beurteilen. Nur so können die Erfolgschancen einer aufgenommenen oder weitergeführten Selbstständigkeit fachlich zuverlässig bewertet werden.

Sie möchten wissen, ob Sie Ihre selbstständige Tätigkeit weiterführen können oder welches Verfahren Sie beantragen müssen?

Egal, ob Sie selbst betroffen sind oder einfach nur weiterführende Fragen haben. Rechtsanwalt Jan Heckmann und sein Team helfen Ihnen – deutschlandweit – gleichgültig, ob Sie in Berlin wohnhaft sind oder eine Schuldnerberatung in Stuttgart oder München wünschen. Gemeinsam finden wir eine Lösung für Ihr Problem! Unter 03040504030 sind wir für Sie während unserer Öffnungszeiten (mo.-do. 9-17 Uhr, fr. bis 16 Uhr) erreichbar! Nutzen Sie gern auch unser Online Terminauswahltool, um einen Termin zu vereinbaren!

Der Erfolg gibt uns Recht!

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