Wohlverhaltensphase nach neuem Insolvenzrecht – Neue Pflichten für den Schuldner
Für die Dauer der Wohlverhaltensphase sieht das neue Insolvenzrecht seit Inkrafttreten der Reform zunächst neue Regelungen für das Verhalten des Schuldners vor. Das Herzstück der neuen insolvenzrechtlichen Reform von 2020 bildet die Regelung im Bereich des Restschuldbefreiungsverfahrens (§§ 286 – 303a InsO), wonach das Verfahren zunächst auf 3 Jahre verkürzt wird, § 287 Abs.2 InsO (Mehr Informationen über die neue Reform erfahren Sie hier).
Die Neuregelung bedeutet zunächst eine wesentliche Änderung im Verfahrensablauf, so dass es durchaus erforderlich ist, dass auch andere Vorschriften der Insolvenzordnung entsprechend angepasst werden. Insbesondere will der Gesetzgeber das Verhalten des Schuldners in der Wohlverhaltensphase , d.h. im Zeitraum zwischen der formellen Beendigung des Insolvenzverfahrens und der endgültigen Erteilung der Restschuldbefreiung, neu bestimmen.
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Neu gefasster § 295 Nr.2 InsO: Schenkungen und Gewinne muss der Schuldner herausgeben
Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens stellt sinngemäß eine wesentliche Erleichterung für den Schuldner dar, dem ein Neuanfang schneller ermöglicht werden soll. Doch dafür muss der Schuldner zunächst seinerseits mit einigen neuen Obliegenheiten während der Wohlverhaltensphase rechnen. Der Gesetzgeber regelt in der neuen Fassung des § 295 Nr. 2 InsO das Verhalten des Schuldners neu, indem er den Katalog der Obliegenheiten des Schuldners während der Wohlverhaltensperiode erweitert. Nach der neuen Fassung des § 295 Nr.2 InsO obliegt es dem Schuldner:
„Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben…“
Nach altem Insolvenzrecht vor dem 01.10.2020 waren Schenkungen und Gewinne i.S.d. § 295 Abs.2 InsO n.F. nicht von der Herausgabe an den Treuhänder erfasst. Seit der Reform vom 01.10.2020 hat sich die Lage in der Wohlverhaltensphase für den Schuldner doch geändert. Zunächst müssen Geschenke und Lotteriegewinne sowie ähnliche Gewinne an den Treuhänder herausgegeben werden.
Beachten Sie: Die Obliegenheit des Schuldners, das jeweilige Vermögensgegenstand herauszugeben, begründet aber keinen Herausgabeanspruchs des Treuhänders gegen den Schuldner. Den letzteren trifft diesbezüglich auch keine Überprüfungspflicht. Wenn der Schuldner seiner Obliegenheit in der Treuhandperiode nicht nachkommt, kann die Restschuldbefreiung nach § 296 InsO versagt werden.
Schenkungen i.S.d.§ 295 Nr.2 InsO
Was gehört nun alles zur Schenkung nach § 295 Nr.2 InsO? Nach dem Wortlaut der Vorschrift müssen solche Geschenke zur Hälfte des Wertes herausgegeben werden, die keine gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenke von geringem Wert sind.
„…von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen“
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat den Begriff des Gelegenheitsgeschenks definiert ( BGH v. 04.02.2016 – IX ZR 77/15, Rdn. 28 ff.):
“ Gelegenheitsgeschenke sind entsprechend dem Wortlaut Geschenke zu bestimmten Gelegenheiten oder Anlässen wie Weihnachten, Geburtstag, Hochzeit, Kommunion, Firmung usw. …. Ein Gelegenheitsgeschenk liegt aber nicht vor, wenn Zahlungen ohne besonderen Anlass zu allgemeinen Finanzierungszwecken geleistet werden“.
Liegt ein Gelegenheitsgeschenk vor, so bedeutet das noch nicht, dass der Schuldner von der Herausgabe befreit ist. Man muss ferner beachten, dass das jeweilige Gelegenheitsgeschenk von geringem Wert sein soll.
So wie die Rechtsprechung den Begriff des Gelegenheitsgeschenks definiert, legt sie auch für die Ermittlung des jeweiligen Werts eines Gelegenheitsgeschenks entsprechende Maßstäbe fest. Somit sind solche Geschenke, die einen Wert i.H.v.200,00 Euro nicht überschreiten, als Geschenke von geringem Wert anzusehen. Hat der Schuldner mehrere Geschenke in einem Jahr erworben, so liegt die Jahresgrenze bei 500, 00 Euro. (sog. Bagatellgrenze, BGH v. 04.02.2016 – IX ZR 77/15, Rdn. 35)
Ein Beispiel:
Der Schuldner erhält von seinem Sohn zum Geburtstag eine Kamera im Wert von 400, 00 Euro. Muss der Schuldner seine Kamera a) im eröffneten Verfahren (§ 35 I InsO) und b) in der Wohlverhaltensperiode (§ 295 II InsO) herausgeben?
- Lösung a): Das neue Insolvenzrecht sieht diesbezüglich im eröffneten Verfahren im Grunde keine Änderungen vor. Nach § 35 I InsO gehört das gesamte Vermögen des Schuldners zur Insolvenzmasse mit Ausnahmen derjenigen Vermögensgegenstände, die sich als unpfändbar erweisen (§ 36 I InsO). Die Kamera, die dem Schuldner zum Geburtstag geschenkt wurde, stellt keine solche Ausnahme, sondern ein pfändbares Gegenstand dar, so dass die Herausgabe im vollen Wert (400, 00 Euro) erfolgen muss.
- Lösung b): Wie vorhin schon gesehen, regelt das neue Insolvenzrecht seit der Reform das Verhalten des Schuldners in der Wohlverhaltensperiode neu, so dass die Kamera als Schenkung i.S.d. § 275 II InsO der Herausgabe zur Hälfte ihres Werts unterliegen müsste. Jedoch wurde die Kamera zum Geburtstag und somit zu einem Anlass geschenkt, so dass die Kamera als Gelegenheitsgeschenk bereits die erste Voraussetzung für die Befreiung von der Herausgabe erfüllt. Die Kamera ist auch als von geringem Wert anzusehen, da die Jahresgrenze i.H.v. 500, 00 Euro nicht überschritten wurde. Insoweit darf der Schuldner die Kamera im vollen Wert für sich behalten.
Gewinne i.S.d. § 295 Nr.2 InsO
Die Vorschrift des § 295 Nr. 2 InsO erfasst solche alle diejenigen Gewinne, die aus einer „Lotterie, in einer Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit“ ( z.B. Lotto, Toto, Bingo, Sportwetten, Gewinne in Casinos) erzielt werden können, mit einer Rechtsfolge, dass der Gewinn im vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben ist. Die Bagatellgrenze (200, 00/500, 00) wird auch hier für die Ermittlung des Werts des jeweiligen Gewinns angewandt.
Wie erfolgt die jeweilige Wertbestimmung?
Solange es sich bei einem Vermögensgegenstand um Geldgewinne oder Geldschenkungen handelt, erscheint die Wertbestimmung in der Regel als unproblematisch. Nun stellt sich die Frage, wie der Wert bei Sachgeschenken und Gewinnen zu ermitteln ist, sowie wer die Wertbestimmung vornehmen darf.
In solchen Fällen legt die Rechtsprechung den vom Schuldner realisierbaren Wert als Maßstab der Wertbestimmung zugrunde. Das bedeutet, dass es sich dabei nicht um ideale Marktwerte handeln muss, sondern lediglich um den vom Schuldner tatsächlich erzielten Erlös, soweit ihm eine Veräußerung unter höherem Preis nicht zumutbar gewesen ist.
Auch hier ist es nicht die Aufgabe des Treuhänders, den Wert zu ermitteln, sondern nur die des zuständigen Insolvenzgerichts. Die gerichtliche Klärung nach § 295 Nr.5 InsO erfolgt auf Antrag des Schuldners.
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